Für den bewegungsfreudigen Naturliebhaber gibt es bei den derzeitigen klimatischen Verhältnissen kaum etwas angenehmeres, als sich in die Obhut der Schatten spendenden Bäume im Wald zu begeben. So führte unser Sonntagsausflug heute ins Dersauer Eichholz am Plöner See, in den wir abschließend selbstverständlich hinein gesprungen sind (ja, das ganze Rudel). Zuvor aber erwartete uns eine wunderbare Überraschung: Der Wald entpuppte sich als ein Kunst-Projekt mit literarischen Installationen. Ganz ohne Ankündigung oder Erklärungen stieß man alle paar hundert Meter auf zwischen Bäume gespannte Transparente, auf denen kurze Gedichte zu lesen waren. Am Wegesrand oder auch mitten im Wald konnte man romantische, klassische, witzige und kritische Lyrik rund um die Natur, Jahreszeiten, Bäume und natürlich die Liebe entdecken. Den Kieler Nachrichten konnte ich entnehmen, dass es sich um 27 Installationen mit Werken von Goethe, Storm, Heine, Puschkin, Hikmet und vielen anderen handelt, wir haben nur 16 gefunden. Doch diese haben ihren Zweck erfüllt: Wir freuten uns über jede Entdeckung, hielten inne, lasen uns die Poesie gegenseitig vor, schmunzelten oder wurden nachdenklich, genossen den Einklang der Transparente mit der Natur sowie das durch Sonnenstrahlen im Laub verursachte Spiel von Licht und Schatten und blieben an der ein oder anderen schönen Stelle ein wenig länger als üblich.
Ich war so begeistert und wollte dir später am Abend am liebsten die ganze Palette all der Fotos, die ich gemacht habe, präsentieren. Aber das wäre wohl etwas überfrachtend. Man muss bedenken, dass wir von einem Werk zum anderen einige Minuten gegangen sind, so dass die jeweilige Lyrik ein wenig Zeit zum Sacken hatte. Und so lasse ich dich zunächst einmal mit nur vier ausgewählten Gedichten allein. Vielleicht verweilst du zwischen den Versen ein wenig in Gedanken, um so einen Hauch des Eindrucks, den die Kunstinstallationen bei mir hinterlassen haben, zu erfahren.
Mag da draußen Schnee sich türmen,
mag es hageln, mag es stürmen,
klirrend mir ans Fenster schlagen,
nimmer will ich mich beklagen,
denn ich trage in der Brust
Liebchens Bild und Frühlingslust.
Heinrich Heine 1797-1856
Es fiel einmal ein Kuckucksei
vom Baum herab und ging entzwei.
Im Ei da war ein Krokodil;
am ersten Tag war’s im April.
Joachim Ringelnatz 1883-1934
Wat scher ik mi um Hus un Feld
un Gold un Geld derbi!
De Leev is Allens op de Welt,
Un de is blot bi di!
Klaus Groth 1819-1899
Bäume sind Gedichte,
die die Erde in den Himmel schreibt.
Wir fällen sie nieder
und verwandeln sie in Papier,
um unsere Leere zu dokumentieren.
Khalil Gibrân 1883-1931