Wie oft haben wir ihn in diesen Tagen schon erhalten, gehört, gelesen oder selbst vermittelt, den Wunsch "Guten Rutsch!"? Und wie oft hast du dir darüber Gedanken gemacht, was dieser eigentlich bedeutet?
Benötigst du heute Nacht noch ein Thema für einen Smalltalk mit "Aha-Effekt", soll dir hier geholfen werden, denn du kannst fortan erklären, dass der Rutsch nicht das Hinübergleiten von einem Jahr ins andere symbolisiert. Wenigstens darin sind sich die Sprachwissenschaftler einig.
Höchstwahrscheinlich hat sich der Begriff Rutsch im Zusammenhang mit Neujahrsgrüßen aus dem hebräischen Rosch (Kopf, Anfang) entwickelt. Das jüdische Neujahr heißt Rosch ha Schanah, wörtlich übersetzt "Anfang des Jahres", auf Jiddisch wünscht man sich in der Zeit vor und nach dem Feiertag "a git Rosch". Bereits im späten Mittelalter soll im Rotwelschen, einer Gaunersprache sozialer Randgruppen, der Rutsch als Verballhornung des jiddischen Sprachgebrauchs entstanden sein.
Der österreichische Schriftsteller Hans Weigel zweifelt das Sprachentwicklungsalter der heute so gebräuchlichen Redewendung in seinem Buch "Leiden der jungen Wörter" (1974) mit folgender Begründung an und meint, sie könne erst zu Beginn des 19. Jahrhunderts entstanden sein:
Schiller hat Goethe keinen guten Rutsch gewünscht, Liszt hat Wagner keinen guten Rutsch gewünscht, auch in den Briefen Rilkes an seine Freifrauen, Gräfinnen und Fürstinnen fehlt jede Andeutung des glückhaften Rutschens in die neuen Jahre.
Dies scheint mir ein guter Ansatz für eine linguistische These, ich meine allerdings, die als "Beweis" herhaltenden Herrschaften gehörten einfach gehobeneren Gesellschaftsschichten an, in denen man sich, insbesondere in der Literatur, nicht des Jargons niederer Gesellschaftsgruppen bediente. Eine Aufnahme des Rutsches in die allgemeine Umgangssprache wird damit meines Erachtens nach nicht widerlegt.
Um auf andere Ursprünge des im gesamten deutschsprachigen Raum verwendeten "Guten Rutsches" gestoßen zu werden, lohnt sich wie immer ein Blick in das Deutsche Wörterbuch der Brüder Jacob und Wilhelm Grimm. Hier ist der Wunsch als solcher nicht explizit aufgenommen, doch erfahren wir, dass der eher volkstümlich verwendete Begriff "rutsch" (nd.) bereits im 17. Jahrhundert als Synonym für "Reise" benutzt wurde. Zudem wird auf den Wiener Dramatiker Franz Grillparzer (1791-1872) verwiesen, der in seinen Werken sehr wohl "glücklichen rutsch" verwendete.
Natürlich war dieser Wunsch Reisenden kurz vor dem Start einer langen Postkutschenfahrt angedacht, was aber einer sinnbildlichen Übertragung auf eine "gute Reise ins Neue Jahr" im Zuge der Entwicklung einer lebendigen Sprache Grund zur Annahme liefert.
Es scheiden sich also die gelehrten Geister, Hauptsache ist demnach, dass sich niemand aufs Glatteis führen lässt und heute Nacht tatsächlich ausrutscht. Wie auch immer:
Habt einen guten Rutsch, Rosch oder Rausch - kommt einfach bestens ins Neue Jahr! Verbunden mit den allerbesten Wünschen für ein sagenhaftes 2019 alles Liebe und Gute!
Fotos: CC0 mit Dank an KlausHausmann und Alexas_Fotos.