Kulturgut und Zeitdokument, Sammlerstück und Wertanlage, Kunstwerk und Kultobjekt, in jedem Fall aber Tonträger: Die kreisrunde, schwarze Scheibe mit der langen Rille feierte gestern, am 21. Juni 2018 ihren 70. Geburtstag.
Happy Birthday Vinyl-Langspielschallplatte!
Die Schallplatte an sich ist etwas älter
1877 experimentiert Thomas Alva Edison mit sich schnell fortbewegendem Parafinpapier, in das er mit einer Nadelspitze die Schwingungen von Sprache drückt. Damit gelingt ihm erstmals das Aufzeichnen der menschlichen Stimme, 1878 erhält er in Frankreich und Deutschland das Patent für seinen berühmten Phonographen. Dieser Klangschreiber gilt indirekt als Ursprung einiger bis heute bestehender Musikkonzerne.
Über die Produktion verschiedener Klangwalzen unterschiedlichsten Materials, mit denen Schallwellen festgehalten und über mechanischen Handbetrieb wiedergegeben werden können, entwickelt Emil Berliner Edisons Phonographen weiter. Eine Stahlnadel ritzt nun Schallschwingungen mit musikalischer Information in eine mit gehärtetem Ruß überzogene Glasplatte ein. Von diesem Positiv abgezogene Negative eignen sich als Medium für das von Berliner erfundene Grammophon, dem handbetriebenen Vorläufer des modernen Plattenspielers.
Berliner nennt seine vervielfältigungsfähige Erfindung "Schallplatte" und will damit den musikalischen Unterhaltungsmarkt revolutionieren. Nach erfolgloser Investorensuche in der US-amerikanischen Industrie gründet er gemeinsam mit seinen Brüdern Joseph und Jacob 1898 die Deutsche Grammophon Gesellschaft (DGG) und beginnt nach weiterer Entwicklung des Tonträgermaterials erfolgreich mit dem Vertrieb von Schellackplatten. Zunächst gelten Platten wie Grammophon als Luxusspielzeug, erreichen aber 1904 ihren Durchbruch unter Musikliebhabern, als Enrico Caruso eine Arienaufnahme unter dem Label His Master's Voice herausbringt.
Plastik verdrängt Schellack
Während des langjährigen Siegeszugs der Schellackplatte bis zu ihrer letzten Produktion im Jahre 1956 wird weiter fleißig an Material und Technik geforscht. Diesmal sind die Amerikaner wieder unter der Leitung von Thomas Edison federführend und so gelingt es RCA Victor Anfang der 30er Jahre, 15 Minuten Musik bei 78 Umdrehungen pro Minute auf Polyvinylchlorid (PVC) zu pressen.
Im Gegensatz zum empfindlichen Schellack sind die Plastikplatten nahezu unzerbrechlich. Im Zuge des Zweiten Weltkrieges werden den US-Militärs zur moralischen Stärkung sogenannte Victory Discs mit auf den Weg gegeben, die auch im Schützengraben noch ihre Form behalten sollen, während in Deutschland die Schallplattenproduktion zusammenbricht.
Der Ingenieur Peter Carl Goldmark entwickelt die Vinyl-Platte weiter, vor allem ist er auf eine längere Spielzeit bei geringerer Umdrehungszahl aus. Es entsteht die Long Playing Microgroove (lang spielende Rille) mit einer Drehzahl von 33 Umdrehungen pro Minute bei einer Spielzeit von bis zu 23 Minuten und sogar eine kleinere Ausgabe mit 16 Umdrehungen pro Minute, die ohne Klangverlust in Crysler-Autos mobil abspielbar ist.
Am 21. Juni 1948 präsentiert Columbia Records auf einer Pressekonferenz im legendären Waldorf Astoria in New York die erste rauschreduzierte Langspielplatte aus Vinyl: Felix Mendelssohn Bartholdys Violinkonzert in E-moll mit Nathan Milstein und dem Philharmonic Symphony Orchestra of New York unter Leitung von Bruno Walter.
Totgeglaubte leben länger
Die spannende Historie des Geburtstagskindes ist noch lange nicht beendet. Die CD konnte es zwar in eine Nische drängen, aber nicht aussterben lassen. Je mehr Musik ohne greifbaren Datenträger digitalisiert wird, desto höher scheint die Nachfrage nach Vinyl in der heutigen Zeit zu steigen. Vielleicht ist an dieser Stelle darüber noch vor dem 70. Geburtstag der 7''-Single im kommenden Jahr zu lesen.