Denglisch for Runaways - SCHEINANGLIZISMEN

in #deutsch6 years ago (edited)

Die Globalisierung ist schuld! Die Digitalisierung! Oder war es sogar schon die Industrialisierung?
Wie dem auch sei, ist Fakt, dass die Sprache der Dichter und Denker zunehmend von Anglizismen unterwandert wird, was so mancher kritisch beäugt. Letztlich handelt es sich hierbei aber um einen ganz normalen etymologischen Vorgang. Fremde Sprachen beeinflussen seit Jahrtausenden, spätestens seit dem biblischen Turmbau zu Babel, die Entwicklung der eigenen. Heute vollzieht sich dies nur schneller als zu Zeiten der großen Völkerwanderungen.

Anglizismen gehören mittlerweile zum Alltag im deutschen Sprachraum, selbst bei größtem Bemühen des aktiven Vermeidens kann man diese kaum umschiffen. Jedenfalls nicht, wenn man, wie ich, täglich mit Teenagern Jugendlichen arbeitet oder sich dem Wellenreiten im Zwischennetz widmet. Nicht aufregen, einfach als Neologismen akzeptieren - man muss es ja nicht übertreiben.
Doch wie verhält es sich mit den sogenannten Scheinanglizismen? Hierbei handelt es sich um Fremdwörter, die hierzulande eine völlig andere Bedeutung als in ihrem Herkunftsland haben. Augenscheinlich englisch ist hierbei einzig das lexikalische Element, der Gebrauch dieser Wörter führt eher zur Verwirrung als zur internationalen Völkerverständigung. Soll der gemeine Dengländer diese auch gelassen akzeptieren?


Der allgemein bekannteste und gebräuchlichste Pseudoanglizismus ist mit Sicherheit das Handy. Das ist ein richtig schön urdeutscher Begriff, dem Bundesdeutschen heilig. Natürlich ist das schnurlose Mobiltelefon handlich und praktisch (handy), da machen wir doch einfach das englische Adjektiv zum deutschen Substantiv. Weltweit wird der kompakte Alleskönner eher mobile (brit.: mobile phone) genannt, im amerikanischen Englisch auch cell (cellular phone).

Zum Glück überleben Fotomodelle ein Shooting auf deutschem Boden in der Regel, jedoch würden sie sich statt zum Erschießen bestimmt lieber zur photo session verabreden. Avanciert das aufsteigende Talent dabei womöglich zum Shootingstar, verglüht es in der korrekten Übersetzung dummerweise zur Sternschnuppe. Der Brite nennt solch schöne Glückskinder overnight success, der Ami whiz kid.
Wie wäre es denn mit einer erotischen Fotoserie? Eine bildhübsche Frau rekelt sich, nur mit einem Slip (underwear, panties) bekleidet, am Flipper(pinball machine)? Aus der Traum: Die Dame hielte vermutlich unbeholfen einen Zettel oder Kassenbeleg vor ihr Geschlecht, in der Hoffnung, die Schwimmflosse auch mit ins rechte Bild zu rücken.

Sehr gern gesehen sind hierzulande auch locker, leger an Oldtimer gelehnte Fotomodelle. Aber nur im deutschsprachigen Raum, im angelsächsischen macht sich in so einem Moment gerade jemand an einen recht alten Herrn ran. Das historische Automobil, das Frau oder Mann so prächtig schmückt, wird im Englischen vintage, classic oder veteran car genannt.
Vielleicht befindet sich unter den alten, gut polierten Schlitten sogar ein Beamer. Nein, nein, ich meine nicht den modernen Bildwerfer (video projector), ohne den keine Vorlesung mehr denkbar ist. Beamer ist in den USA der liebevolle Kosename für einen BMW, egal ob Auto oder Motorrad. Im britischen Englisch wird mit beamer hingegen ein unsportliches Schleudern des Balles beim Cricket bezeichnet.

Wenn du einen Muttersprachler mal so richtig an deinem Verstand zweifeln lassen oder ihn schlicht in die abgrundtiefe Verlegenheit treiben willst, erzählst du ihm einfach, dass du beim letzten Public Viewing mit deiner niegelnagelneuen, todschicken, hochmodernen Bodybag total cool rübergekommen bist. In diesem Fall berichtest du nämlich, wie du, bereits gekühlt, deinen eigenen Leichensack zur öffentlichen Leichenschau mitgebracht hast. Public sport broadcasts könnten solche Unannehmlichkeiten international vermeiden.


Im Endeffekt sind diese Scheinanglizismen doch wunderbar für die Entwicklung unserer lebendigen Sprache: Wir schaffen uns mal wieder etwas Eigenes und klingen dabei so herrlich weltoffen!
Und, egal, wie wir zu ihnen stehen, wir brauchen nicht diskutieren, denn die denglischen Pseudoentlehnungen dürften für uns alle einen großen Gag bedeuten. Für die einen sind sie halt witzig, ein Witz (joke), für Nichtverdenglischer ein würgender (to gag) Knebel (gag).
So what? Ich bin total verzückt - you can say you to me!




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22.02.2019


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Um es mit Heinrich Lübke zu sagen: Equal goes it loose.
Jedoch könnte man es auch so ausdrücken: What shall the quatsch?

Hallo Christiane,

da ich ja wie immer nur für den unwissenschaftlichen Teil zuständig bin, gehe ich nicht näher auf die Anleihen ein, der sich andere Sprachen aus dem Deutschen bedient haben.
Aber ich möchte an einem Beispiel aufzeigen, wie einfach es bei der Verständigung laufen kann, wenn ein paar Kleinigkeiten aus der Fremdsprache in die Muttersprache eingebaut werden.
So war zum Beispiel mein Schwiegervater der festen Überzeugung, wenn er das deutsche Personalpronomen Sie in einen kroatischen Satz einbaut, versteht ihn jeder Besucher, der sich mühsam über die Alpen an die Adria geschleppt hatte.
So hörte sich die Frage an den Neuankömmling, ob ihn der Hunger plage, etwa so an: Je li Sie gladen Sie? Bekam er daraufhin ein Kopfnicken geschenkt, folgten auch sofort die Versprechen: Buden Sie pien Sie und jeden Sie. (Es wird was zum Trinken und zum Essen geben.)
Die "Ausländer haben ihn fast immer verstanden. Die eigenen Landsleute dann aber nicht mehr. Spielte jedoch auch keine Rolle, da sie auch nicht angesprochen waren.
Noch Fragen offen? - Dann piten Sie i budem otgovoren Sie!
Das hat zwar jetzt nicht viel mit deinem Beitrag zu tun, doch bot sich mir die Gelegenheit auch das mal loszuwerden.😊

Liebe Grüße
Wolfram

Lieber Wolfram, würde ich von deinem Schwiegervater so begrüßt werden, wäre ich wohl heillos verloren!

Hallo Wolfram,

na klar, in jeder Sprache ist etwas aus anderen zu finden, um nicht zu sagen: Irgendwie kupfert hier doch jeder von anderen ab... 😉
@meluni hat schon mal einen netten Beitrag über Falsche Freunde (den Begriff habe ich übrigens erst durch sie kennengelernt, danke an dieser Stelle) geschrieben.
Aber nun soll's das auch mit der Wissenschaftlichkeit gewesen sein, wir brauchen im Kommentarbereich ja kein disputatio.

Noch Fragen offen?

Ja, ich bitte um Übersetzung des letzten Satzes.

Während ich in meiner unausstehlichen Kopflastigkeit schon wieder denke "Was will mir der Autor damit sagen?", kugelt sich Herr Hase gerade lachend auf dem Boden: "Mit Sekas Papa hätte ich mich auch gern mal unterhalten, wir hätten uns bestimmt bestens verstanden!"

We send Sie liebe Grüße over die Alpen,
Christiane

Ganz einfach: Wer höflich fragt, bekommt auch die passende Antwort!

Danke.

Ich bin nach dem lesen Deines Beitrags ein bisschen schlauer geworden und habe mich prächtigst amüsiert.
Aufklärung und Entertainment der Spitzenklasse! 😎
LG @muelli

Oh, @muelli, du lässt mich mal wieder erröten und - was fast noch gewichtiger ist - ob des phantastischen Kommentars in Sprachlosigkeit erstarren... versonnen träumender Zwinkersmiley
Liebe Grüße,
Chriddi

Jetzt fehlen mir die Worte. 😎

Wunderbar! Wobei eine nur mit einem Slip bekleidete Dame auch im englischen nett wirken könnte - das bezeichnet nämlich auch ein einfaches Unterkleid ;)

Hey, danke, das Synonym kannte ich nicht. Nur das Ausrutschen und witzigerweise ja auch den Ausrutscher im Sinne von Patzer. Je tiefer man also in die Materie vordringt, desto mehr könnte sie also zur slippy (schlüpfrig?!) Angelegenheit werden... 😉

Da fällt mir doch der Ausdruck "slippery slope" ein, den wir auf Deutsch so nicht kennen und für den es nur holprige Umschreibungen gibt.

Oh ja. Nur nicht hineinbegeben, könnte die Stimmung kippen 😇

Für die ganzen Alkoholleichen die beim Public Viewing rumlaufen wäre es sogar von Vorteil einen Leichensack dabei zu haben. Die kann man auch praktisch als Windel nutzen! :P

Es war mir eine Freude deinen Beitrag zu lesen!

Hihi, gute Idee. Wobei ich bei der Windel eher auf das Namensmonopol Pampers zurückgreifen würde - hört sich auch so schön denglisch an... 😉
Vielen Dank, freut mich sehr, dass dir der Text gefallen hat!

Liebe Christiane,

welch großartiger Artikel! Ich komme aus dem Schmunzeln nicht mehr raus!

Vor einiger Zeit rief ein hiesiger Radiosender dazu auf, ein richtiges deutsches Wort für "public viewing" zu finden. Dabei rausgekommen ist Rudelgucken, was ich persönlich zumindest absolut treffend und gut gewählt finde!

Ich wünsche dir eine schöne Restwoche!

Ui, klasse - so sehr freue ich mich über deine Begeisterung, liebe Melanie!

Hihi, ja, "Rudelgucken" habe ich auch schon gehört. Wir schicken es Annika von Taube von der Zeit. Die soll nochmal sagen, die Deutschen seien einfallslos 😉:

Das deutsche Wort klingt etwas unbeholfen. Aber würden wir das englische verwenden, wäre die Empörung noch viel größer. Wer auf eine andere Sprache als die eigene zurückgreifen muss, um sich auszudrücken, ist schlampig, faul oder beschränkt.

Wir lesen uns,
alles Liebe,
Chriddi

Also einfallslos sind wir ja nun wirklich nicht! So eine infame Unterstellung!

Hallo Chriddi,

beim Lesen deines Beitrages muß ich irgendwie an die Werke der Herren Wolf Schneider und Bastian Sick denken. 🤔

Jo, danke, die sind auch nicht schlecht 😉

Hihi, großartig! Die meisten kenne ich schon und auf den "Brüller" zum Schluss habe ich quasi gewartet. ;-)

Wir schaffen uns mal wieder etwas Eigenes und klingen dabei so herrlich weltoffen!

Hach ja, wir Dichter und Denker... zu schön.... Ich werde "you" zu dir sagen... hach ja. LGG

Die meisten kenne ich schon

Ja, klar, schwirren ja auch überall mal wieder rum. Hat aber irre Spaß gemacht, sie mal zusammenzusammeln. "Stoff" hätte ich sogar noch genug, denke aber, ein zweiter Teil wäre nicht mehr so amüsant.
Ich danke you sehr für diese tolle Rückmeldung.
LG, Chriddi

Och... ruhig einen 2. Teil. Es gibt bestimmt diverse, die diesen übersehen haben... und : doppelt hält besser. LGG

Da hat @gaich völlig recht, doppelt hält besser. 😎😎
Hoffentlich wird die @chriddi von der Muse geküsst.
Sollte aber meine Hilfe nötig sein um eine Fortsetzung zu garantieren, wäre ich bereit.

Hm, lass mich nachdenken...
Selbstverständlich planst du nun einen zweiten Teil - irgendwelche Deals mit der Muse müsstest du ja konkret mit Liebchen absprechen...

Es ist wahrscheinlich einfacher für mich, Liebchen von der Notwendigkeit meines leidenschaftlichen Auslands Einsatzes zu überzeugen, als mich am zweiten Teil der Scheinanglizismen zu versuchen. 😎

Ich werde mich bemühen, dir die Strapazen eines solchen Einsatzes zu ersparen. Die diplomatischen Beziehungen sollten wegen eines Steemit-Beitrags nicht gefährdet werden.
Wohldem schätze ich deine mutige Einsatzbereitschaft sehr... 😁

Ich werde mich bemühen, dir die Strapazen eines solchen Einsatzes zu ersparen.

Vielen, vielen Dank. 😂

Hihi, mal schauen, ob mich diesbezüglich mal wieder die Muse küsst. Ich sammle einfach noch ein wenig - and than goes it loose...

Super, und Küsse sind doch was Feines... in diesem Sinne viel Erfolg! LGG

Hi @chriddi, klasse Beitrag, echt cool! Hab ein schönes Wochenende. Alexa

Vielen Dank, freut mich, dass dir der Text gefallen hat!
Dito, LG, Chriddi

Ich finde, jedes Shootingsternchen ;) hat immer noch die Möglichkeit, jederzeit zur Sternschuppe zu werden (also mit mehr oder weniger großem Getöse unterzugehen).

Meine persönliche persönliche Haßliebe ist ja das "Gaffer Tape", das zum "Gaffatape" wurde, aber inzwischen weitgehend doch passender als Isolierband bezeichnet wird.

P.S.: Wie knntest du eigentlich in beiden Beiträgen die Ponyfrisur vergessen? ;)

Das Zeugs, das du meinst, ist für mich "Panzer-Klebeband" - 'ne Nummer stärker als schlichtes Isolierband.
Ans Pony habe ich sogar gedacht. Aber da es schon ein Jahrhunderte alter Anglizismus ist (Gibt es eine rein deutsche Bezeichnung für das Mini-Pferd?) und der Schnitt fast ebenso alt, habe ich es für die Kategorie "deutsche Teekesselchen" im Hinterkopf.

Mit dem Panzer-Klebeband hast du natürlich recht; dieser Versuch, meine Wortfindungsstörungen zu übergehen, ging offenbar schief. :)

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