Nun ist es bereits in vollem Gange, das SteemFest 2018 in Krakau. Wochenlang durften wir organisatorische und Themen vorbereitende Artikel lesen, wir erhielten wunderbare Beschreibungen von Stadt, Land und Leuten, zuletzt überwogen von Reisefieber und purer Vorfreude geprägte Beiträge. Jeder der SteemFest-Teilnehmer wird neben der Lust auf neue Begegnungen bestimmt viele Fragen und diskussionswürdige Themenvorschläge mit im Gepäck haben und ich hoffe sehr, dass auch jemand den vollgepackten Rucksack mit über die polnische Grenze genommen hat, in dem @afrog all seine Gedanken zu Chancen und Tücken des SMT, über die er bereits mehrere umfangreiche Vorlesungen hielt, sicher verstaut hat.
Die vor über einem Monat vorgenommene HF20 wird mit Sicherheit Gesprächsanlässe bieten. Außer, dass ich uns nach Einführung des RC-Systems der Aktivität der so wichtigen, motivierten Neueinsteiger, die ohne Investitionen oder Delegationen so gut wie gar nicht interagieren können, beraubt fühle, kann ich mich zur HF20 gar nicht äußern. Ich kann nur die Redewendung erklären, die es in den Titel dieses Beitrags geschafft hat.
Auf den Putz hauen
Diese umgangssprachliche und eher saloppe Redensart wird in dreifacher Bedeutung verwendet: Es wird sich ihrer bedient, wenn sich jemand bei energischem Auftreten lautstark bemerkbar macht, wenn jemand prahlt und in seinen Erzählungen starke Übertreibungen nutzt oder, last but not least, zum Ausdruck kräftigen und ausgelassenen Feierns.
Über die Herkunft der putzigen Phrase ist man sich uneins. Im Redensarten-Index, dem ich häufig einen Teil meiner vermeintlichen Weisheiten entnehme, wird vermutet, dass der sprichwörtliche Ausdruck auf das schweizerische "putschen" zurückzuführen ist. "Putsch" wird hier im allgemeinen Sprachgebrauch nicht nur im politischen und militärischen Zusammenhang seit der Revolution von 1848 genutzt, sondern für alle Arten von Zusammenstößen, Erregungen und Aufregungen eingesetzt, womit ein Teil der mehrfachen Verwendungsmöglichkeiten der Redensart, der wir auf den Zahn fühlen, erklärt wäre.
Als wahrscheinlicher erschließt sich mir, da zum einen älter, zum anderen durch mittelhochdeutsche Wortüberlieferungen bspw. im schon so oft zitierten Grimm (1854–1960), ein Entstammen der Redewendung aus dem Mittelalter, aus der Zeit der Ritterkämpfe und -turniere.
Im Laufe des 16. Jahrhunderts wurden die großen Ritterturniere in den Innenhöfen der Kernburgen hauptsächlich süddeutscher Residenzstädte, die dem Vergnügen des Adelsgeschlechts und gut situierter Bürger dienten, eingestellt. Viele Jahrhunderte zuvor entwickelten sich aus der ursprünglich militärischen Notwendigkeit des Zweikampftrainings der Ritter diese eher sportlich zu betrachtenden Turniere, die unterschiedlichen Formen strenger Turnierregeln, den Cartellen, unterlagen. Die in der Regel standeshohen und somit reichen Ritter erschienen in teuren, extra angefertigten Prunkharnischen. Zum Harnisch gehörte natürlich auch ein Helm, der durch das aufgesetzte Zimier (meist bunte Federbüschel) aufwändig und hochwertig verziert war. Im Volksmund hieß dieser Helmschmuck schlicht Putz bzw. butz (mhdt.: schön, Verschönerung, Schmuck).
Es gab eine Turnierform, aus der jener Ritter als Sieger hervorging, der dem Gegner als erstes das Zimier vom Helm schlug. Genau, die Adligen des Mittelalters hauten sich dabei auf den Putz!
Der Gewinner konnte mit seiner Trophäe prahlen, den Zuschauern wurde ein Spektakel geboten, bei dem mit Sicherheit ausgelassen gefeiert wurde.
Wer weiß es schon genau? Vielleicht ist an beiden Überlieferungen etwas dran. Vielleicht klopfte der mittelalterliche Maurermeister aber doch auf die vom Lehrling verputzte Hauswand (der "kalkbutz" der Mauer war schon früh als Wandverschönerung bekannt). Wenn der Putz daraufhin bröckelte, musste der Meister den Helfer vielleicht zur Schnecke machen, also derart scharf rügen und zurechtweisen, dass dem Erniedrigten nur noch der Wunsch bleibt, sich zum Schutz vor allen Außeneinflüssen in ein Schneckenhaus zurückzuziehen.
So oder so, haut in Krakau ruhig auf den Putz! Feiert und macht euch bemerkbar und prahlt damit, daran beteiligt zu sein, den Steem den Mond erreichen zu lassen! Hauptsache, es überwiegt der Spaß!
Weitere aufgedeckte Redensarten
- "Die Pferde scheu machen" u.a.
- "Butter bei die Fische" u.a.
- "Durch die Lappen gehen" u.a.
- "Die Kurve kratzen" u.a.
- "Ich versteh nur Bahnhof" u.a.
- "Der rote Faden" u.a.
Und ein paar Wörter auf dem Abstellgleis
- Kotze, bächeln, blümerant
- Schnurre, schmökern, Fidibus
- schnöde, Mammon
- Antlitz, Gesäß
- Kokolores, hanebüchen, Firlefanz
- Wichsen
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