Hokuspokus FIDIBUS, wir SCHMÖKERN eine SCHNURRE - Wörter auf dem Abstellgleis --- #5

in #deutsch6 years ago (edited)

Im letzten Beitrag verlor ich mich in der Auseinandersetzung mit dem schnöden Mammon und verwehrte dem werten Leser die Bedeutung von "Schnurre" - welch Frevel, der sogleich behoben wird.

Bereits im Deutschen Wörterbuch der Gebrüder Grimm, begonnen 1838, sind elf Definitionen zu erlesen, wobei die meisten, wie auch die, auf die ich hinaus möchte, in ihrer aktiven Nutzung als Deutsches Wort mittlerweile tatsächlich außer Betrieb sind. Hier nun soll es um die Schnurre als kurzweilige Anekdote oder witzige Kurzgeschichte gehen.

"Schnurre" entwickelte sich aus dem mittelhochdeutschen Wort snurre, was zunächst einen Sammelbegriff für Lärminstrumente aller Art darstellte. So kündigte im Mittelalter der Nachtwächter mit einer snurre (heute: Knarre) seinen nächtlichen Rundgang an und auch die fahrenden Gaukler "trommelten" mit snurren ihr Publikum zusammen, weshalb sie ab ca. dem 16. Jahrhundert als "snurraere" bezeichnet wurden. Daraus soll sich übrigens im 18. Jahrhundert auf einem weiteren etymologischen Zweig das Wort "Schnorrer", also Bettler, geformt haben, aber darum geht es hier ja nicht.
Die Gaukler oder Possenreißer betrieben allerlei Firlefanz, aber sie erzählten auch kurze Geschichten über ihre Reiseerlebnisse, dies meist auf witzige Weise. Diese Anekdoten wurden zu Schnurren.

Mal abgesehen vom wohligen Geräusch des Kätzchens, läuft uns der Wortstamm "schnurr" heute noch im Oberlippenbewuchs einiger Herren über den Weg. Das liegt nun daran, dass snurre gleichzeitig - ja, bereits im Mittelalter gab es "Teekesselchen" - der Ausdruck für eine Tierschnauze war. Im Rotwelschen, einer "Gaunersprache", die sich im 15. Jahrhundert in gesellschaftlichen Randgruppen entwickelte, wurde der Begriff für den menschlichen Mund adaptiert. Der Barbier war fortan der "Schnurrenputzer".


"Schmökern" wird heute umgangssprachlich als Synonym für "lesen" benutzt, dies meist, laut Duden, in einem dicken, inhaltlich weniger anspruchsvollen Buch. Das Verb wird also von der Bezeichnung für ein Buch, dem niederhochdeutschen smoeker, abgeleitet. Die Bedeutungserklärung dieser Namensgebung mit dem eigentlichen Ausdruck für "Rauch" ist in unterschiedlichen Quellen different, fest steht nur, dass sich diese Begrifflichkeit unter Studenten zu Beginn des 18. Jahrhunderts entwickelte. So findet man im Grimm‘schen Wörterbuch (Band 9, 1899) folgende Eintragung:

verächtlich für ein altes buch; übertragung des niederd. smöker, schmaucher, tabakraucher auf ein verräuchertes druckwerk, wol zunächst in studentischen kreisen: ein alter schmöker; als ein alter schmöcher, altes schlechtes buch (Kindleben 1781)


Einige Sprachwissenschaftler gehen davon aus, dass die einstigen Studenten, in dunklen Bibliotheken über dicken Büchern versunken, den etwas seltsamen Geruch ihrer antiken Lehrwerke, der an Rauch erinnern mag, sinnbildlich auf die Studiengegenstände übertrugen.
Wahrscheinlicher sei aber die Annahme, dass einige als minderwertig angesehene Bücher tatsächlich zum Rauchen, bzw. als Rauchutensil benutzt wurden. Die Studenten rissen Seiten aus den dicken, vergilbten Wälzern, drehten sich einen Fidibus und zündeten sich beim Lernen genüsslich ein Pfeifchen an.


Die meisten modernen Feuerzeug- oder Zigarettenanzündernutzer kennen den Fidibus nur noch durch eingangs zitierten Zauberspruch, ursprünglich ist dieser aber ein längerer Holzspan oder ein fest aus Papier zusammengedrehtes Röllchen, welcher, am offenen Feuer zum Glühen gebracht, zum Anzünden einer Tabakspfeife benutzt wurde.
Das Wort ist seit dem 17. Jahrhundert im Deutschen bekannt, "Der Grimm" vermutet eine frühe studentische Sprachspielerei mit dem Französischen fil de bois, was wörtlich übersetzt "Faden aus Holz" bedeutet.


Der Fidibus hätte noch mehr Aufmerksamkeit erfahren können, doch nun ist Schluss mit dem Hokuspokus. Feine Schnurren kannst du im Blog von @w74 finden, der als treuer Leser dieser kleinen Etymologie-Serie spätestens jetzt weiß, warum ich sein Buch "BRenNgLAS" ungern als "Schmöker" bezeichne.


Weitere Wörter auf dem Abstellgleis

Und ein paar "entzauberte" Redensarten

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2.08.2018


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Immer wieder informativ und unterhaltsam :)

Das höre ich beides total gerne, danke schön!

Hallo Christiane,

lass uns eine kurze Zwischenbilanz ziehen.
Was blieb an Informationen hängen?
Zwei grimmige Typen, die das Blaue vom Himmel erfinden, daraus Gruselgeschichten basteln und Kleinkinder an den Osterhasen glauben lassen, die beiden Landstreicher wollen mir was vom Schnurren und Schmökern erzählen?
Noch habe ich den Lachkrampf unter Kontrolle. Garantien auf Verfallsdaten oder eventuelle Haltbarkeit können jedoch unter diesen Umständen nicht mehr gewährt werden. Wenn Harry Lachkrampf einmal von der Leine ist, dann tanzt ganz Bochum Cha-Cha-Cha.
Zeit also Ruhe in den Käfig zu bekommen.
Die Weiterfolge schnurren - schnorren - profitieren, die will ich überhaupt nicht infrage stellen. Doch bin ich persönlich involviert und daher besonders empfindlich auf der Oberlippe. Na klar schnurre oder schnorre ich gerne, insbesondere in den Gedanken meines Gegenübers. Aber was nützen mir erschnorrte Nebensächlichkeiten, wenn der Schnorres nicht in Form ist?
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Denn der ist der Schlüssel zum Erfolg. Der Passepartout zum Erfolg. Denn während die Damen meinen Worten lauschten, schmökerte ich in ihren Augen. Immer auf der Suche nach dem Kapitel, in dem unsere gemeinsame Zukunft behandelt wird.
Manchmal gestaltete sich diese Suche schwierig, da die Augen einer Frau mehr Sätze beinhalten als Dostojewskis Schuld & Sühne.
War ich leid des Schmökerns, klappte ich die Enden des Schnorres (saarländisch) nach unten und machte mich auf die Suche nach dem nächsten Roman.

Lass uns gemeinsam schmökern
Den Schnorres male ich mir auf!

Wolfram

Nee, nä?! Vokuhila!
Stammt das Foto schon aus der Zeit, als der Saumagen-Freund Bundeskanzler war?
Ich sehe schon, wir haben da noch 'ne ganze Menge zu bearbeiten, egal ob grimmig oder nicht. Meinst du, ein Glas Wein wird reichen?
Kleben ist vielleicht einfacher als malen, könnte aber warm werden!
Liebe Grüße,
Christiane

Zu Zeiten von Saumagen und Bimbes suchten die Haare bereits Kontakt mit der 7. Rippe. Ehrlich gesagt weiß ich überhaupt nicht mehr wann das Bild geschossen wurde, da ich ständig zwischen Verweigerung und kurz (wie hier) wechselte.
Den Schnorres bitte nicht kleben. Viel zu seriös!

Der Barbier war fortan der "Schnurrenputzer".

Können wir das wieder einführen? Biiiiitteeee!! 😂

Toller Beitrag liebe Christiane! (:

😊 Danke dir!

Immer wieder unterhaltsam und informativ. (hihi)
HokusPokus - und schon gibt es wieder einen "launigen" Artikel von dir. Dankeschön...

Hihi, hast du abgeschrieben, liebe Kadna?!
Vielen Dank für deinen Kommentar.
Jepp, du hast recht, "Hokuspokus" ist auch recht spannend!

Ja nur eben vertauscht und wollte es eigentlich so lassen um zu sehen, wie du darauf antwortest ;-)

nur eben vertauscht

Sehr geschickt, dann kommt @cheetah auch nicht ;-)
Aber dem geschulten Paukerauge entgeht natürlich nichts ;-P

Es war kreative Absicht!!!! Kein Abschreiben.... ihr Pauker differenziert auch nicht die Bohne! huch, wo kommt die Bohne eigentlich her... ;-)

Ich merk's schon, du hältst mich gern auf Trab ;-)

Die wahre Geschichte kannst du jetzt lesen!
Wer glaubt den Gebrüder Grimm?

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